Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
§ 294 Randnummer 3

Hinsichtlich der Würdigung, d.h. der gedanklichen Verarbeitung des vorliegenden Materials für die Urteilsbildung über die Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung, gibt es bei der Glaubhaftmachung keine Unterschiede zu dem in § 286 RN 2 ff. umrissenen Verfahren. Hinsichtlich des Beweismaßes sieht man im allgemeinen erhebliche Unterschiede zu § 286. Während dort die volle Überzeugung des Richters von der Wahrheit der streitigen Behauptung gefordert werde, erstrebe die Glaubhaftmachung ,,die Begründung eines geringeren Grades von Wahrscheinlichkeit (semiplena probatio), etwa die gute Möglichkeit, daß der Vorgang sich so zugetragen habe" (RoSchwab § 113 III 1; vgl. aus der Rechtsprechung BGH VersR 1973, 186). Dem wird vereinzelt entgegengehalten, man solle die Glaubhaftmachung doch ,,als volle Überzeugungsbildung anhand eines präsenten (oder sonst begrenzten) Beweismaterials deuten" (Gottwald Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979 S. 217 unter Hinweis auf Leipold Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, 1971 S. 66, 98; anders StJ-Leipold RN 6). Führt man sich die Überlegungen zur Überzeugungsbildung (§ 286 RN 11 ff., insbesondere 17; 26) vor Augen, wonach eine Überzeugungsbildung aufgrund von Wahrscheinlichkeitsschlüssen zugelassen und für flexible Reaktionen auf unterschiedliche Beweislagen sowie auf die je beteiligten Interessen offen ist, kann der verbalen Divergenz kein großes Gewicht beigemessen werden. Überzeugung wie Glaubhaftmachung sollten von der Einschätzung darüber kontrolliert werden, ob für den anstehenden Entscheidungstyp bei gegebener Informationslage eher der einen oder der anderen Seite die Belastung mit einer Fehlentscheidung zugemutet werden kann. Beim einstweiligen Rechtsschutz wird dabei die Schwere des Eingriffs ebenso eine Rolle spielen wie die Vorläufigkeit und Revidierbarkeit der ins Auge gefaßten Maßnahme.


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Gesetzestext