Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 284 Randnummer 19

Nach der Satzbaulehre geben die vom Gesetzgeber gewählten sprachtechnischen Mittel Aufschluß darüber, welche Beweislastverteilung der Gesetzgeber auch ohne ausdrückliche Normierung dieser Frage angestrebt hat. So deuten Wendungen wie ,,gilt nicht, wenn ...", ,,ist ausgeschlossen, wenn ...", ,,gilt, es sei denn wenn ...." darauf hin, daß hier rechtshindernde mithin vom Gegner zu beweisende Behauptungen (Ausnahmen von der Grundregel) in Rede stehen, während die Formulierung ,,gilt, wenn ..... nicht vorliegen" auf eine negative Anspruchsvoraussetzung hinweist. Wo die Satzbaulehre nicht weiterhilft, ist nach den Zielen und Grundvorstellungen des Gesetzgebers über die Risikoverteilung im je angesprochenen Bereich zu fragen. Hier mögen höchst unterschiedliche Sachgründe (Prütting S. 257ff.) in ihr Recht treten, mit deren Wandel es auch zu veränderten Beweislastverteilungen kommen kann. Die materiellrechtlichen Risikoverschiebungen spiegeln sich dann in veränderten Beweislastverteilungen. Das zeigen nicht zuletzt die zahlreichen ,,Umkehrungen der Beweislast", zu denen die Rechtsprechung im Laufe der Zeit gegriffen hat (vgl. Gottwald Jura 1980, 303 ff.; Musielak JuS 1983, 609 ff.). Nicht der Geschädigte muß beweisen, daß für seinen Körper- oder Gesundheitsschaden die feststehende grobe Verletzung von Berufspflichten ursächlich war, sondern derjenige das Gegenteil, der sich den Verstoß zuschulden kommen ließ (so für Ärzte BGH NJW 1975, 1463; MedR 1983, 107; für Organisationsmängel im Krankenhaus BGH NJW 1984, 655; für Schwimmeister BGH NJW 1962, 959). Ebenso wird, wer seine vertragliche Aufklärungspflicht verletzt, mit dem Nachweis belastet, daß sein Gegenüber bei gehöriger Aufklärung nicht anders gehandelt hätte (BGHZ 61, 118; dazu Joachim Schmidt JuS 1975, 430 ff.; BGH NJW 1984, 1688 zum Warentermingeschäft; BGH NJW 1984, 1397 zur Arzthaftung). Und für den Fall der Schädigung durch ein fehlerhaftes Produkt muß nicht der Geschädigte das Verschulden des Herstellers, sondern der Hersteller beweisen, daß ihn kein Verschulden trifft (BGHZ 51, 91 - ,,Hühnerpest").


vorherige Randnummer nächste Randnummer