Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 402 Randnummer 23

Schätzverfahren: Beim Schätzen gehen wir in ähnlicher Weise vor. Nehmen wir wieder eine Stichprobe F mit n = 1.000 an, in der wir diesmal 400 G gefunden haben. Das ergibt eine Proportion P von G in F in Höhe von 40% oder 0,4. In welchem Intervall wird mit welcher Wahrscheinlichkeit der p-Wert der Grundgesamtheit liegen? Da wir wissen, daß die Stichprobenproportionen von Stichproben gleichen Umfangs in einen von p abhängigen Bereich fallen, können wir diese Kenntnis für die Bestimmung eines Konfidenzintervalls ausnutzen. Wir wissen das wegen der bei der gegebenen Stichprobengröße möglichen Anwendung der Normalverteilung. Da fallen dann 95% der Stichprobenproportionen in den durch p - 1,96 Standardabweichungen und den durch p + 1,96 Standardabweichungen abgesteckten Bereich. Mathematisch kann man das so ausdrücken:

W (p - 1,96s < P < p + 1,96s) = 95%.

Nun können wir alle die möglichen Werte für den unbekannten Parameter p, bei denen das Stichprobenergebnis P noch zu den 95% der unter p zu erwartenden Stichprobenergebnisse gehört, durch eine einfache Umformung erhalten:

P - 1,96s < p < P + 1,96s.

Für alle p, die dieser Bedingung genügen, gehört der empirische Befund P zum ,,mittleren Bereich", der insgesamt eine Wahrscheinlichkeit von 95% hat. Wir müssen jetzt noch das s bestimmen. Das geht bei der Formel

für Proportionen in binomialverteilten Grundgesamtheiten auf zwei Wegen. Der eine führt ebenfalls zu einer Schätzung, indem er in die Formel an die Stelle des unbekannten p-Wertes der Grundgesamtheit die bekannte Proportion P der Stichprobe setzt. Das soll erlaubt sein, wenn n größer ist als 9 geteilt durch P(1 - P) (vgl. Clauss/Ebner Grundlagen der Statistik, 1971, S. 160). Der andere legt einfach den größtmöglichen Wert von p(1 - p) zugrunde. Der beträgt höchstens 0,25, so daß die Standardabweichung s höchstens den Wert der Wurzel aus (0,25 geteilt durch n) annimmt. Bei diesem Weg ist das Konfidenzintervall auf dem Niveau von 95% ermittelt durch

und auf dem Niveau von 99% durch

Die Länge des Konfidenzintervalls, also der Spielraum für die in Betracht zu ziehenden Werte für p beträgt beim Niveau von 95% gerade und beim Niveau von 99% gerade . Deutlich wird bei dieser Entwicklung, daß das Intervall mit wachsendem n immer kleiner wird. Die Schätzsicherheit hängt deshalb von der Größe der Stichprobe ab. Für unsere Beispielsstichprobe können wir mit einer Sicherheit von 95% sagen, daß der p-Wert der Grundgesamtheit in dem Intervall von 0,37 bis 0,43 liegt, und mit einer Sicherheit von 99%, daß er in dem Intervall von 0,36 bis 0,44 liegt. Wären die G die von den durch eine Werbung angesprochenen Verkehrskreise F Getäuschten (vgl. oben RN 7), hätten wir bei diesem Stichprobenergebnis keine Probleme, einen nicht unerheblichen Anteil (nämlich mehr als 10%) als irregeführt anzusehen. Bei der Stichprobengröße von 10 kämen wir allerdings in erhebliche Schwierigkeiten. Die wegen der geringen Größe der Stichprobe allerdings problematische Anwendung der aus der Normalverteilung gewonnenen Formel ergäbe selbst bei einem Vertrauensniveau von 95% ein Intervall von 0,09 bis 7,1, das auch einen Anteil der Irregeführten unter 10% möglich macht.


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