Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 3

I. Die Differenzhypothese

Schon vor Erlaß des BGB hat man das zu kompensierende Vermögensinteresse definiert als „die Differenz zwischen dem Betrage des Vermögens einer Person, wie derselbe in einem gegebenen Zeitpunkte ist, und dem Betrage, welchen dieses Vermögen ohne die Dazwischenkunft eines bestimmten beschädigenden Ereignisses in dem zur Frage stehenden Zeitpunkt haben würde“ (Mommsen S. 3). Mit dieser auf einen Gesamtvermögensvergleich zielenden Differenzhypothese steht eine Formel zur Verfügung, die das Schadensrecht in ein problemloses und wertungsfreies Rechenexempel zu überführen scheint: Man verfolgt vom Zeitpunkt des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses an zwei Vermögensentwicklungen: eine reale und eine hypothetische. Richtet man T-Konten für beide Entwicklungen ein, so werden Vermögensabflüsse auf der Passivseite der Realentwicklung und verhinderte Vermögenszuflüsse auf der Aktivseite der hypothetischen Entwicklung verbucht. Die Buchungsvorgänge beeinflussen die im Zeitpunkt der Schadensberechnung zu ermittelnden Salden, deren Vergleich den zu ersetzenden Vermögensschaden bestimmt. Bei Aktivsalden in beiden Bilanzen ist dies die Differenz, die nach dem Abzug des Saldos der Realentwicklung vom Saldo der hypothetischen Entwicklung verbleibt. Nicht nur der realisierte Vermögensabfluß und der verhinderte Vermögenszufluß können verbucht werden und so Einfluß auf die Ermittlung des zu ersetzenden Vermögensschadens nehmen, auch die „klassischen“ Schadensrechtsprobleme der Vorteilsausgleichung und der überholenden oder hypothetischen Kausalität finden als Buchungsvorgänge leicht Eingang in den Prozeß der Differenzermittlung. Aktueller Vermögenszufluß wird auf der Aktivseite der realen Entwicklung, verhinderter Vermögensabfluß auf der Passivseite der hypothetischen Vermögensentwicklung verbucht (Vorteilsausgleich). Umstände, die auch ohne das zum Ersatz verpflichtende Ereignis die nämlichen Nachteile zur Folge gehabt hätten, führen zur Buchung des realen Abflusses auf der Passivseite der hypothetischen Entwicklung und verhindern die Buchung des nicht realisierten Vermögenszuflusses auf der Aktivseite der hypothetischen Entwicklung.


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