Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 445 Randnummer 5

Verfehlt sind alle Beschränkungen des Grundsatzes der Verhandlungswürdigung (§ 286). Was das Gericht bei der Anhörung der Parteien erfährt, darf von ihm für die Antwort auf die Frage verwertet werden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten sei (wie hier Kollhosser ZZP 91 (1978), 102, 104; a.A. BGH MDR 1967, 834; StJ/Schumann/Leipold Anm. II 3; differenzierend Brehm S. 245 ff., der unstreitige Informationen aus der Parteianhörung für die Verhandlungswürdigung offenhält und nur die Glaubwürdigkeitsprüfung ausschließt). Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht die Information von der beweisbelasteten oder der nicht beweisbelasteten Partei erhalten hat. Die für wichtig gehaltenen Informationen aus der Parteianhörung sollten allerdings zur Kontrolle und Absicherung protokolliert werden. Auch kann es nicht schaden, die Parteien schon im Rahmen der Parteianhörung auf ihre Verantwortung für die korrekte Sachverhaltsrekonstruktion und auf das Wahrhaftigkeitsgebot (§ 138 Abs. 1) hinzuweisen. Mit dem Wahrhaftigkeitsgebot und der Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei (vgl. Stürner Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1976; § 138 RN 4 ff., 21 ff.; vor § 284 RN 10) sowie den für die Pflichtverletzung vorgeschlagenen Sanktionen kommt man schon bei der Auskunftsverweigerung im Rahmen der Parteianhörung zu den Reaktionsmöglichkeiten, die das Gesetz für die Verweigerung des Gegners bei der Parteivernehmung vorsieht (§ 446). Alles in allem ist - die Eidesleistung ausgenommen - die Parteianhörung schon heute geeignet, die Parteivernehmung vergessen zu machen. Sie hilft zugleich, den mißlichen Folgen entgegenzuwirken, die sich in Verfahren arbeitsteiliger Organisationen gegen Individualparteien ergeben, wenn der interessengebundene Verhandlungspartner der einen Seite als Zeuge zur Verfügung steht und der anderen Seite die Schranken des Parteibeweises vorgehalten werden.


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