Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 284 Randnummer 10

Nicht nur das Gericht auch die im Falle eines non-liquet nicht beweisbelastete Partei hat eine Prozeßförderungspflicht, welche sie schon aufgrund ihrer Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht nach § 138 Abs. 1 zur tunlichen Mitwirkung bei der möglichst wirklichkeitsgerechten Sachverhaltsrekonstruktion anhält (vgl. dazu grundlegend Stürner passim; auch NJW 1979, 1225 ff. und NJW 1981, 1757 ff.; § 138 RN 17 ff.; Vorbehalte bei RoSchwab § 118 VI; grundsätzlich ablehnend Arens ZZP 96 (1983), 1 ff.). Was zur Erfüllung der Prozeßförderungspflicht tunlich ist, richtet sich nicht nach den Beweislastverteilungsregeln, sondern nach Grundsätzen der Zumutbarkeit, die im Einzelfall unter Berücksichtigung von Kosten, Persönlichkeits- und Geschäftsinteressen die Grenzen der Mitwirkungspflicht abstecken müssen (§ 138 RN 33 ff.). Die Verletzung der Mitwirkungspflicht ist im Rahmen der Beweiswürdigung, durch Fiktionen und u.U. auch bei der Festlegung des erforderlichen Beweismaßes zu berücksichtigen und zu sanktionieren (§ 138 RN 46 ff.). Auch die Förderungspflicht des Gerichts erschöpft sich bei der Sachverhaltsrekonstruktion nicht in Hinweisen an die beweisbelastete Partei. Sie muß vielmehr unabhängig von den Beweislastverteilungsregeln daran ausgerichtet werden, welche der gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen eine wirklichkeitsgerechte Sachverhaltsrekonstruktion ermöglichen. Normenkonflikte sind zugunsten der wirklichkeitsgerechten Sachverhaltsrekonstruktion zu lösen (vgl. vor § 288 RN 4). Gesetzlich zulässige und auch geeignete Maßnahmen dürfen allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines unverhältnismäßigen und nicht mehr interessengerechten Aufwands hintangestellt werden. Das damit aufgeworfene Abwägungsproblem ist nicht ohne vorherige Erörterung mit den Parteien zu entscheiden.


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