Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 284 Randnummer 12

Die bis zur mündlichen Verhandlung eingegangenen Informationen aus Schriftsätzen, Urkunden, amtlichen Auskünften und vorweggenommenen Beweisaufnahmen ergeben mit dem in die mündliche Verhandlung einzubringenden offenkundigen Wissen des Gerichts und den Informationen, die namentlich die Anhörung der Parteien sowie die Vernehmung von Zeugen in der mündlichen Verhandlung liefern, eine in vielen Fällen schon durchaus tragfähige vorläufige Sachverhaltsrekonstruktion. Diese steht lediglich unter dem Vorbehalt der Änderung durch weitere Informationen; der Manipulation durch übereinstimmendes Parteiverhalten ist sie dagegen wegen des Vorrangs der Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1) vor den Wirkungen des Nichtbestreitens (§ 138 Abs. 3) und des Geständnisses (§ 288 Abs. 1) entzogen (vgl. vor § 288 RN 2 ff.; Eike Schmidt Die Verhandlungsmaxime als Methodenproblem, DuR 1984, 24 ff.). Wenn die Streitparteien übereinstimmend vortragen, so ist das in der Regel ein guter Grund, von der Wahrheit der Darstellung auszugehen und keine weiteren Nachforschungen anzustellen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn der übereinstimmende Vortrag im Widerspruch zu anderen zulässig in den Prozeß eingeführten Informationen steht, an deren Zutreffen das Gericht vorerst nicht zweifelt. M.a.W. das Gericht ist nicht gehindert, seiner Entscheidung eine Sachverhaltsbeschreibung zugrunde zu legen, die von einer übereinstimmenden Sachverhaltsdarstellung der Parteien abweicht, wenn es aufgrund der im Rahmen der Prozeßordnung erhaltenen und den Parteien zugänglich gemachten Informationen annehmen darf, daß seine Sachverhaltsbeschreibung und nicht die übereinstimmende Darstellung der Parteien der Wirklichkeit entspricht (anders LG Berlin NJW 1978, 1061). Ebenso darf das Gericht die Sachverhaltsdarstellungen der Parteien ergänzen, ohne daß die Parteien die Informationen in ihre Darstellungen eigens aufnehmen müßten (dagegen Brehm S. 208 ff.). Es muß sich nur um Informationen handeln, die auf prozessual zulässigem Wege in den Prozeß eingeflossen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung (Gebot des rechtlichen Gehörs) gemacht worden sind.


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