Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 373 Randnummer 9

Frageansatz der Aussagepsychologie: Man kann nicht nur fragen, welche Wahrnehmungs-, Behaltens- und Motivationsvoraussetzungen dafür gegeben sein müssen, daß eine Bekundung etwas Erlebtes schildert, dem eine reale Begebenheit zugrunde liegt. Man kann auch umgekehrt nach den Bedingungen und Eigenschaften gerade solcher Bekundungen fragen, denen das behauptete reale Ereignis nicht zugrunde liegt. Man trifft dann auf Wahrnehmungsirrtümer und Gedächtnisfehlleistungen, auf Folgen von Suggestionen, auf reine Phantasieleistungen oder auf die Verlagerung gehabter Erlebnisse nach Raum, Zeit und/oder beteiligten Personen. Entsprechend hat sich die Aufmerksamkeit bei diesem Frageansatz auf Anzeichen für irregeleitete Wahrnehmungen und Erinnerungen, für Fremd- und Eigenbeeinflussung außerhalb und während der Vernehmung zu richten. Man muß sich über Unterschiede in phantasierten und nicht phantasierten Schilderungen verständigen. Man muß fragen, zu welchen Phantasieleistungen eine bestimmte Auskunftsperson fähig wäre. Und man muß schließlich aussschließen können, daß eine bloße Verlagerung eines an einem anderen Ort, zu anderer Zeit, mit anderen Personen gehabten Erlebnisses stattgefunden hat.


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