Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 373 Randnummer 69

Ein Modell für die Bewertung der Aussage eines Zeugen haben wir schon zu Beginn angesprochen (oben RN 1). Kaplan hält die Wahrscheinlichkeit, daß der Zeuge eine korrekte Bekundung gegeben hat, für das Produkt aus ,,all the independent probabilities that go into the reliable communication of information. Thus /it/ may be expressed as the product of probabilities: (1) that the witness was not mistaken in what he saw; (2) that he has remembered what he thinks he saw; (3) that he has meant to tell us what he remembered; (4) that he has been able to communicate what he intends to tell us; (5) that we have correctly understood what he has communicated" (zitiert nach Eggleston Evidence, Proof, and Probability, 1978 S. 153). In durchaus vergleichbarer Weise zerlegt Ekelöf (in FS Baur S. 343 ff.) die Glaubwürdigkeitsprüfung in Teilbereiche. Er bezieht sie auf die Wahrscheinlichkeit für die Kausalitätsannahme, daß das rechtsrelevante reale Ereignis und nicht irgendetwas anderes die Bekundung des Zeugen verursacht hat, und fragt nach der Kausalität des Ereignisses für das Wahrnehmungsbild, des Wahrnehmungsbildes für das Erinnerungsbild und des Erinnerungsbildes für die Bekundung. Die Wahrscheinlichkeiten, die den einzelnen Kausalgliedern zugeordnet werden, ergeben multipliziert die Gesamtwahrscheinlichkeit dafür, daß das Ereignis die Bekundung verursacht hat. Auch Bender/Nack heben - jedenfalls für einen Teilbereich - auf die Multiplikationsregel ab, wenn sie für die Zerlegung der Irrtumsmöglichkeiten folgende Beweiskette bilden (RN 497):

Zu einem neben den Irrtumsmöglichkeiten auch die Lüge umfassenden Modell entwickeln sie jedoch keine eindeutigen Vorstellungen. Einmal (RN 483) wollen sie die Irrtumslehre und auch Teile der Lügenanalyse (Persönlichkeit, Motivation, Aussagesituation) heranziehen, um eine plausible Ausgangswahrscheinlichkeit zu bestimmen, auf die mittels Likelihooderwägungen (vgl. dazu § 286 RN 10 ff.) die Kriterien der Aussageanalyse ,,draufgesetzt" werden. Zum anderen (RN 499) behandeln sie die Irrtumsfreiheit und die subjektive Wahrhaftigkeit als zwei getrennte, aber notwendige Voraussetzungen für den zwingenden Schluß von der Aussage auf den Inhalt der Aussage.


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