Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
§ 412 Randnummer 3

Wenn widerstreitende Gutachten vorliegen, kommt die Einholung eines Obergutachtens (zum Begriff Müller S. 81) in Betracht. Dafür hat der Bundesgerichtshof folgende Grundsätze aufgestellt: ,,Der Tatrichter ist, wenn mehrere Sachverständige einander widersprechende Gutachten erstatten, nicht stets gehalten, sich diese Gutachten mündlich erläutern zu lassen oder ein weiteres (Ober-)Gutachten einzuholen. Wenn die Gutachten inhaltlich klar sind und jeweils für sich keine Zeifelsfragen offen lassen, ist es kein Ermessensfehler, sich mit der schriftlichen Begutachtung zu begnügen. Im Einzelfall kann es dann gute Gründe dafür geben, einem der Gutachten den Vorzug zu geben; diese Gründe hat der Tatrichter dann allerdings darzulegen. Auch eine verfahrensrechtliche Pflicht zur Einholung eines weiteren (Ober-)Gutachtens (§ 412 ZPO) besteht nur ausnahmsweise, nämlich bei besonders schwierigen Fragen, bei groben Mängeln der vorhandenen Gutachten und dann, wenn ein neuer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt (...). Indessen hat der dem Tatrichter bei der Würdigung widerstreitender Gutachten eingeräumte Ermessensspielraum, wie sich aus dem eben Ausgeführten ergibt, Grenzen: Der Streit der Sachverständigen darf vom Gericht nicht dadurch entschieden werden, daß es ohne einleuchtende und logisch nachzuvollziehende Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt" (BGH BB 1980, 863). Für Arzthaftpflichtprozesse gilt darüberhinaus, daß an die Substantiierungspflicht der geschädigten Partei für die Einholung eines weiteren Gutachtens nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH VersR 1981, 752).


zurück vorherige Randnummervor nächste Randnummer
Gesetzestext