Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
§ 286 Randnummer 11

Den Wert des Likelihoodverhältnisses (Likelihood für G/Likelihood für Nicht-G), der sich bei der Betrachtung eines Indizes oder einer Indizkombination ergibt, nennen Bender/Nack (RN 412) die abstrakte Beweiskraft des betreffenden Indizes bzw. der betreffenden Indizkombination. Je höher die abstrakte Beweiskraft (bei Werten über 1) ist, desto wahrscheinlicher wird das gesuchte Ereignis, und je niedriger die abstrakte Beweiskraft (bei Werten unter 1) ist, desto unwahrscheinlicher wird das gesuchte Ereignis. Für sich genommen sagt die abstrakte Beweiskraft allerdings gar nichts über die absolute Höhe der Wahrscheinlichkeit für das gesuchte Ereignis. Die Angabe einer präzisen Endwahrscheinlichkeit aufgrund einer Likelihoodbetrachtung ist nur unter ganz besonderen Voraussetzungen möglich. Man muß nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines festgestellten Befundes unter der Annahme des gesuchten Merkmals (x) sowie unter der Annahme der Negation des gesuchten Merkmals (y) kennen. Man muß auch die Ursprungswahrscheinlichkeit für das gesuchte Merkmal (u) vor Kenntnis des Befundes angeben können. Dann läßt sich mithilfe des Bayestheorems (vgl. zur Entwicklung dieses nach dem englischen Pfarrer und Hobbymathematiker Thomas Bayes, 1702 - 1761, benannten Theorems aus den Axiomen der mathematischen Wahrscheinlichkeitstheorie Koch/Rüßmann § 36 2 b) die Endwahrscheinlichkeit (w) nach der Formel berechnen. Genauer: Man entwickelt mithilfe des Bayestheorems aus vorhandenen statistischen Informationen einen statistischen Satz, der sich für die Anwendung des statistischen Syllogismus (oben RN 7), auch statistische Einzelfallregel genannt, eignet (praktisches Beispiel bei Rüßmann RuP 1982, 62, 66).


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Gesetzestext