Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 93

2. Quotenvorrecht der Sozialversicherungsträger

Ein unter dem Stichwort „Quotenvorrecht" diskutiertes Sonderproblem stellt sich dann, wenn der Schaden vom Kollektiv nicht völlig ausgeglichen wird und der Anspruch gegen den Schädiger nicht ausreicht, sowohl den Restschaden beim Verletzten als auch die Leistungen des Schadenstragungskollektivs auszugleichen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn aus materiellrechtlichen Gründen - etwa wegen eines anrechenbaren Eigenbeitrags des Verletzten oder wegen der bei Gefährdungshaftungen häufigen summenmäßigen Haftungsbegrenzung - die Haftung des Schädigers beschränkt ist. Soll nun der Verletzte oder das Kollektiv den Vorrang genießen? In den meisten Fällen ist diese Frage vom Gesetzgeber zugunsten des Verletzten entschieden worden, indem er bestimmt hat, daß der Forderungsübergang „nicht zum Nachteil" des Verletzten geltend gemacht werden kann (§ 67 Abs. 1 Satz 2 VVG, § 4 Abs. 3 LohnfortzahlungsG, § 87 a BBG). Lediglich § 1542 RVO ordnet den Übergang des Anspruchs auf den Sozialversicherungsträger ohne jeden Zusatz an. Daraus hat die Rechtsprechung das Quotenvorrecht der Sozialversicherung entwikkelt (RG 148, 21; BGH NJW 1969, 98; BGH NJW 1972, 1860). In der Literatur ist dieses Vorrecht immer wieder angegriffen worden (von Marschall VersR 1978, 485 m. w. N.). Der BGH hat sich zur grundsätzlichen Aufgabe bisher nicht entschließen können. Er verweigert jedoch dem Sozialversicherungsträger das Quotenvorrecht wenigstens dann, wenn die unfallbedingt zu erbringenden Versicherungsleistungen für ihn keine Mehrbelastung bedeuten (BGH 70, 67). Schließlich hat der Sozialversicherungsträger hinter den Verletzten zurückzutreten, wenn bei unbeschränkter Haftung des Verletzten der Direktanspruch gegen den Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer wegen Beschränkung der Deckungssumme nicht ausreicht (BGH NJW 1979, 217). Es sollte allgemein das Kollektiv wegen seiner besseren Verteilungsmöglichkeiten zurücktreten müssen und das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers auch in den übrigen Fällen aufgegeben werden.


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