Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 284 Randnummer 22

IV. Gegenstände des Beweises

Die Beweislastregeln heben auf das ab, was man als das Ziel aller Beweisbemühungen ansehen kann: das Urteil über die Wahrheit einer rechtlich relevanten Behauptung. Wenn ein solches Urteil nicht mit der erforderlichen Sicherheit gefällt werden kann, ermöglichen die Beweislastregeln die Entscheidung des Rechtsstreits. Als rechtlich relevante tatsächliche Behauptungen werden häufig die Behauptungen bezeichnet, die den Tatbestand der für die Fallentscheidung einschlägigen Rechtssätze bilden (Grunsky Grundlagen, § 40 II 1; RoSchwab § 116 I; Jauernig § 49 IV). Diese Redeweise ist ungenau. Doch schadet die Ungenauigkeit für die Frage nach dem Gegenstand des Beweises nicht. Die Ungenauigkeit liegt in der Vernachlässigung der logischen Kluft, die in der Regel zwischen abstrakten Normformulierungen und konkreten Sachverhaltsbeschreibungen liegt und durch Bedeutungsregeln überwunden werden muß, soll man die Begründung für eine Einzelfallentscheidung logisch korrekt heißen dürfen (dazu näher Koch/Rüßmann §§ 3 und 4). Die Bedeutungsregeln, welche die abstrakten Normformulierungen mit der konkreten Sachverhaltsbeschreibung verknüpfen, gehören zur Rechtsfrage (vgl. Rüßmann in H.J. Koch (Hrsg.), Juristische Methodenlehre und analytische Philosophie, 1976, S. 242, 250 ff.) und bilden deshalb nicht das Ziel der in § 286 angesprochenen richterlichen Beweisbemühungen. Ziel dieser Bemühungen sind vielmehr nur die streitigen Behauptungen aus den konkreten Sachverhaltsbeschreibungen, die dem Substantiierungsgebot genügen (vgl. dazu Rüßmann in J. Zimmermann (Hrsg.) Sprache und Welterfahrung, 1978, S. 208, 218 ff.; Brehm S. 47 ff.) und rechtlich relevant sind, weil sie entweder Begriffe aus den Tatbestandsformulierungen der einschlägigen Rechtsnormen oder aber solche Begriffe enthalten, die über Bedeutungsregeln mit den Begriffen der einschlägigen Rechtsnormen verknüpft sind. Dem Substantiierungsgebot genügen solche Sachverhaltsbeschreibungen, die das Gericht hinreichend darüber informieren, was tatsächlich geschehen sein soll (vgl. BGH NJW 1984, 2888). Das kann auch unter Verwendung von Rechtsbegriffen geschehen. Letztlich entscheidet über die geforderte Informationsleistung das um die Streitentscheidung im konkreten Fall ersuchte Gericht (vgl. Rüßmann a.a.O.).


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