Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 402 Randnummer 8

F. Beweisfrage und Auswahl des Sachverständigen

Hält der Richter dafür, Informationslücken zu entscheidungserheblichen Fragen durch Hinzuziehung eines Sachverständigen schließen zu lassen, stellt ihn das vor mitunter erhebliche Probleme. Er muß in einem Bereich, von dem er jedenfalls nicht so viel versteht, daß er von der Hinzuziehung eines Sachverständigen absehen könnte, sinnvolle Beweisfragen formulieren und einen geeigneten Sachverständigen zur Beantwortung seiner Fragen finden (vgl. dazu Pieper ZZP 84 (1971, 1, 18 ff.). Das Gesetz bietet ihm hier nur wenig Hilfe. Zu den Beweisfragen sagt es nichts weiter als, daß diese im Beweisbeschluß festzuhalten sind (§ 359 Abs. 1). § 403 spricht beim Beweisantritt angemessen unscharf von der ,,Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte". Lediglich im Entwurf der Bundesregierung zur Änderung der Zivilprozeßordnung (Bundesratsdrucksache 522/84) wird der Richter angehalten, den Sachverständigen vor Abfassung der Beweisfrage zu hören, soweit es die Besonderheit des Falles erfordert (§ 404 a Abs. 2). Bei der Auswahl räumt § 404 Abs. 2 zwar den öffentlich bestellten Sachverständigen einen Vorrang ein. Gemäß § 404 Abs. 4 ist auch einer Einigung der Parteien über die Person des Sachverständigen Folge zu geben. Das aber befreit den Richter keineswegs von der Antwort auf die Frage, ob unter den öffentlich bestellten Sachverständigen auch ein geeigneter ist, ja nicht einmal von der Antwort auf die Frage, ob der Sachverständige geeignet ist, auf den sich die Parteien geeinigt haben, da bei der Einigung auf einen ungeeigneten Sachverständigen der Richter überlegen muß, ob er diesem nicht von vornherein einen geeigneten zur Seite stellt. Wegen der Formulierungsschwierigkeiten (vgl. Müller S. 238 ff.) läuft der Richter Gefahr, die zu entscheidende Rechtsfrage als Beweisfrage zu stellen (,,ob dem Beklagten ein Kunstfehler unterlaufen sei", ,,ob, und wenn ja, in welcher Höhe dem Kläger eine Rente zuzusprechen sei"). Davor bewahrt ihn allenfalls ein sorgfältiges Durchdenken seiner Informationsprobleme. Nach den Feststellungen von Breunung (vgl. Pieper/Breunung/Stahlmann S. 232) beträgt der Anteil ,,präziser" Beweisfragen zwischen 70 und 80 %. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, daß der Informationsprozeß mangels anderer Möglichkeiten mit einer ganz globalen Frage eingeleitet werden muß. Dann muß das erste Gutachten abgewartet werden, um gegebenenfalls mit präziseren Fragen nachhaken zu können. Das Auswahlproblem verschärft sich in einer solchen Situation. Hier helfen Sachverständigenlisten, Auskünfte der Industrie- und Handelskammern sowie wissenschaftlicher Einrichtungen, die vorgängige persönliche Erfahrung und der telefonische Vorauskontakt mit den Personen, die man als mögliche Sachverständige in Betracht zieht (vgl. Jessnitzer S. 129 ff.).


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