Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 402 Randnummer 25

3. Die Prüfung von Wirkungszusammenhängen

Bei der Prüfung von Wirkungszusammenhängen geht es darum, den Einfluß eines Faktors, einer Größe, auf einen anderen Faktor, eine andere Größe, zu bestimmen. Hypothesen über Wirkungszusammenhänge gehen in ihrem Gehalt über die in den vorangegangenen Abschnitten behandelten empirischen Generalisierungen deterministischer oder statistischer Struktur hinaus, weil sie nicht nur schlichte Wenn-dann-Behauptungen im Sinne der materialen Implikation oder der bedingten Wahrscheinlichkeit aufstellen, sondern darüberhinaus behaupten, daß die jeweilige Wennkomponente einen Einfluß auf die Dannkomponente in dem Sinne habe, daß die in der Wennkomponente beschriebenen Merkmale die in der Dannkomponente beschriebenen Merkmale hervorrufen würden. Die Überprüfung eines solchen kausalen Zusammenhangs kann sich nicht mit dem Abzählen von Merkmalen in hinreichend großen Stichproben mit Repräsentativcharakter begnügen, sondern ist auf Experimente angewiesen, in denen der Einfluß anderer als der zu überprüfenden Faktoren auf eine bestimmte Größe ausgeschlossen werden muß, bevor die Wirkung des zu überprüfenden Faktors analysiert werden kann. Hat man diese Möglichkeit nicht - und das ist leider bei allen komplexen Systemen der Fall -, so muß man sich mit minder guten Überprüfungsmöglichkeiten bescheiden. Sie werden aber alle vor dem Hintergrund der idealen Testsituation entwickelt und bewertet und gelten als umso besser, je stärker sie andere Einflußfaktoren als die zu prüfenden Faktoren neutralisieren. Ein Weg dahin ist die Bildung möglichst gleichartig zusammengesetzter Vergleichs- und Kontrollgruppen. Für die Analyse eines Medikaments gegen Schnupfen bräuchte man etwa drei Gruppen verschnupfter Personen: eine Gruppe, deren Schnupfen mit dem neuen Medikament behandelt wird; eine zweite Gruppe, deren Schnupfen unbehandelt bleibt; und eine dritte Gruppe, deren Schnupfen mit einem Mittel behandelt wird, von dessen Wirkungslosigkeit man überzeugt ist. Einen starken Anhaltspunkt für die Wirksamkeit des getesteten Medikaments gegen Schnupfen hätten wir dann, wenn die Mitglieder der Gruppe 1 schneller von dem Übel befreit würden als die Mitglieder der beiden anderen Gruppen. Schnitten die Mitglieder von Gruppe 1 und Gruppe 3 besser als die Mitglieder der Gruppe 2 ab, so hätten wir einen Beleg für die kausale Kraft des Glaubens. Das beim derzeitigen Stand der Schnupfenforschung wahrscheinliche Ergebnis ist, daß die Mitglieder aller drei Gruppen nach 7 bis 9 Tagen vom Schnupfen befreit sind.


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