Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 402 Randnummer 17

2. Die Überprüfung statistischer Erfahrungssätze

Statistische Hypothesen teilen mit den deterministischen das Schicksal, nicht als wahr erwiesen werden zu können. Das liegt einfach daran, daß auch sie einen Geltungsanspruch erheben, der über die Richtigkeit der in empirischen Häufigkeitsauszählungen festgestellten Merkmalsverteilungen hinausgeht. Statistische Hypothesen mit einem raumzeitlich unbegrenzten Geltungsanpruch können aber nicht nur nicht verifiziert, sie können auch nicht falsifiziert werden. Eine statistische Hypothese, die behauptet, daß 90 % aller F auch G sind, ist sicher nicht durch den Erfahrungsbericht zu wiederlegen, daß man einen Gegenstand mit F, aber ohne G gefunden habe. Auch wenn man 1000 Gegenstände F untersucht und nur 400 mit G findet, ist die fragliche Hypothese nicht endgültig widerlegt. Niemand kann uns sagen, daß die nächsten 3000 F nicht ohne Ausnahme G bringen, was für sich wieder wie eine eindeutige Widerlegung der Hypothese aussieht, zusammen mit dem ersten Befund diese jedoch in einem glänzenden Licht erscheinen läßt. Bei statistischen Hypothesen gibt es deshalb relativ zu einem als feststehend angenommenen Datenmaterial zwei Irrtumsmöglichkeiten: Wir können wie bei deterministischen Hypothesen eine in Wirklichkeit falsche Hypothese als wahr akzeptieren, und wir können anders als bei deterministischen Hypothesen eine in Wirklichkeit wahre Hypothese als falsch verwerfen und jeweils durch die Erfahrung eines besseren belehrt werden, ohne die Gültigkeit der früheren Erfahrungen in Zweifel ziehen zu müssen. Wie aber können wir etwas einigermaßen Verläßliches über unsere Hypothesen aufgrund von notwendig beschränkten Erfahrungsberichten sagen? Diese Frage stellt sich die mathematische Schätz- und Testtheorie.


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