Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 373 Randnummer 77

Wenn wir wie vorgeschlagen die Wahrscheinlichkeitsanalyse einer Zeugenbekundung auf die Aussage: »Ich habe erlebt, daß A.« (im folgenden mit »A*« abgekürzt) beziehen, steht noch eine Antwort auf zwei Fragen aus. Die erste Frage zielt auf die Schlußmöglichkeiten von einer Wahrscheinlichkeitsaussage über A* (abgekürzt »p(A*) = r«) auf eine Wahrscheinlichkeitsaussage über A (abgekürzt »p(A) = x«). Die zweite Frage hebt auf das Zusammenrechnen mehrerer voneinander unabhängiger Zeugenbekunden ab (abgekürzt »A*1, A*2 ... A*n«). Für die Antwort auf die erste Frage bietet sich ein allgemeingültiges Schlußschema aus der Wahrscheinlichkeitstheorie an (vgl. Koch/Rüßmann Juristische Begründungslehre, 1982 § 32). Es hat die Form

p(A,A*) = s
p(A*) = r
-------------
p(A) >= rs

und besagt umgangssprachlich: Die Wahrscheinlichkeit für A ist mindestens so groß wie das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit für A* und der Wahrscheinlichkeit für A unter der Bedingung A*. Da die Wahrscheinlichkeit für A unter der Bedingung A* 1 (oder 100 %) beträgt (unter der Bedingung der Wahrheit von A* ist auch A wahr), können wir auch kurz sagen: Die Wahrscheinlichkeit für das rechtsrelevante Ereignis A aufgrund einer Zeugenbekundung A* ist mindestens so groß wie die Wahrscheinlichkeit der Wahrheit von A*.


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