Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 373 Randnummer 13

1. Die physiologischen Grundlagen der Wahrnehmung

Das Bild, das in einer bestimmten Situation ein Individuum von sich und der Welt aufnimmt und das wir die Sinneserfahrung des Individuums nennen, ist eine Beschreibung, die das mit sich selbst interagierende Gehirn von sich gibt. Es entspringt einer zugleich hoch komplexen und hoch strukturierten Interaktion zwischen Subsystemen eines Systems, welches die Sinnesorgane, Nervenbahnen und unterschiedliche Teile des Gehirns umfaßt. Ob man für Bewußtseinsprozesse einen sich seiner selbst bewußten, nicht mit neuralen Aktivitäten identischen Geist postulieren muß, um den verhängnisvollen Folgen des strengen Determinismus zu entgehen (vgl. Eccles Psychologie VI, S. 1131 ff. einerseits und Roth in: Roth/Schwegler (Hrsg.) Self Organizing Systems, 1981 andererseits), sei als philosophische, in die Metaphysik hineinreichende Frage dahingestellt. In den uns interessierenden Aspekten der bewußten Wahrnehmung außenweltlicher Ereignisse führt die Annahme des einen oder anderen Modells nicht zu divergierenden Ergebnissen. Es ist streitfrei, daß gerade die Beteiligung auch subkortikaler, stammesgeschichtlich älterer Hirnregionen an der Interaktion mitverantwortlich dafür ist, daß in die bewußte Wahrnehmung über die sensorische Basis hinaus auch Bedürfnisse, Erwartungen, Motive und Bewertungen eingehen, welche den Beobachter möglicherweise Wahrnehmungsfehlleistungen diagnostizieren lassen. Wenn man sich ein einigermaßen realistisches Bild von der Wahrnehmung machen will, muß man deshalb nicht nur in Rechnung stellen, welche physikalisch- chemischen Zustände der Umwelt Rezeptoren der Sinnesorgane reizen können, sondern auch berücksichtigen, wie die durch Zustände der Außenwelt ausgelösten Reize in der Innenwelt des zentralen Nervensystems verarbeitet, umgeschaltet, zusammengefaßt, ergänzt und verändert werden, bis es zu einer bewußten Wahrnehmung kommt (vgl. dazu und zum folgenden auch die Einführung von Hajos S. 1 ff.).

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