Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 84

VIII. Beweisfragen

Die Beweislastfrage für die tatsächlichen Umstände, die nach den Regeln des Haftungs- und Schadensrechts die Verlagerung des Nachteils vom Geschädigten auf den Schädiger begründen, ist außerordentlich brisant, wenn es um die im engeren Sinne haftungsbegründenden Merkmale des Sorgfaltspflichtverstoßes und der Kausalitätsverknüpfung mit der Rechtsgutsverletzung geht. Hier trifft man gerade in dem vom BGB am stärksten vernachlässigten Bereich der industriellen Produktion auf „Haftungsverlagerungen durch beweisrechtliche Mittel" (Stoll AcP 176 (1976), 146 ff.). Im engeren Bereich des die Haftung ausfüllenden Schadensrechts gewinnen Beweislastfragen nur selten praktische Bedeutung. Der Grund liegt in § 287 ZPO, der die Entscheidung über die Entstehung und Höhe eines Schadens dem „freien Ermessen" des Gerichts überläßt (grundlegend zu § 287 ZPO Arens ZZP 84, 1; Gottwald S. 37 ff., 214 ff.). Allerdings muß das Gericht in die Lage versetzt werden, seine Schätzungsbefugnisse auch auszuüben, und die zu diesem Zwecke erforderlichen Informationen über die tatsächlichen Verhältnisse und Begebenheiten erhalten. Geschieht dies nicht, so ist auch hinsichtlich der Entstehung und der Höhe eines Schadens zum Nachteil dessen zu entscheiden, der die Beweislast für die fehlenden Umstände trägt. Der geschädigte Kläger hat die Beweislast für den realen Abgang eines Vermögenswerts einschließlich der Umstände, die eine Bewertung in Höhe des beantragten Ersatzes rechtfertigen. Er muß auch den verhinderten Vermögenszufluß, d. h. die Anstalten und Vorkehrungen beweisen, welche nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen den Vermögenszufluß wahrscheinlich machten (§ 252 S. 2). Den beklagten Schädiger trifft dagegen die Beweislast für die schadensmindernden oder -aufhebenden Umstände, die einen anzurechnenden Vorteil bewirkt oder einen hypothetisch gebliebenen Kausalverlauf mit den nämlichen Schadensfolgen in Gang gesetzt haben. Die Schadensbegrenzung nach der Schutzbereichslehre (auch nach der Adäquanztheorie) ist eine beweislastunabhängige Rechtsfrage (vgl. zu dieser Abgrenzung allgemein Rüßmann in Hans-Joachim Koch (Hrsg.) Juristische Methodenlehre und analytische Pbilosophie, 1976, S. 242 ff.).


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