Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 82

1. Bilanzinterne Bewertung einzelner Positionen

Das Zeitpunktproblem verdankt sich nicht allein der Entscheidung, hypothetische Kausalverläufe und haftungsbedingte Vorteile schadensmindernd in Rechnung zu stellen. Es tritt auch als bilanzinternes Bewertungsproblem auf, wenn der Wert des individualisierten realen Vermögensabflusses oder verhinderten Vermögenszuflusses schwankt. Drei denkbare Zeitpunkte stehen zur Entscheidung: 1. der des effektiven Vermögensabflusses, resp. des verhinderten Vermögenszuflusses (so Keuk S. 202), 2. der der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Prozeß (so die h. M.: Esser-Schmidt § 31 II 1.2; Palandt/Heinrichs Einf. v. § 249 Anm. 9 mit Rechtsprechungsnachweisen) oder 3. der des Schadensausgleichs (so insb. Grunsky S. 63 ff.). Der erste Zeitpunkt scheidet aus, weil es weder Gründe dafür gibt, den Geschädigten bei Wertsteigerungen so zu kompensieren, daß er nicht in der Lage ist, mit dem Kompensationsbetrag das verlorene Gut zu ersetzen, noch Gründe dafür gibt, ihm beim Wertverfall mehr zu geben, als er zur Ersatzbeschaffung braucht - im Gegenteil: der Ausgleichszweck gebietet eine Berücksichtigung der positiven wie der negativen Wertschwankungen. Das Prozeßrecht legt die letzte mündliche Tatsachenverhandlung als maßgeblichen Bewertungszeitpunkt nahe. Dieser Zeitpunkt ist jedoch materiellrechtlich keineswegs zwingend. Er versagt dort, wo es gar nicht zum Prozeß kommt, und führt dann zu zweifelhaften Ergebnissen, wenn nach der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung noch vor dem Schadensausgleich erhebliche Wertschwankungen zu verzeichnen sind. Auch hier verlangt der Ausgleichszweck des Schadensersatzes, die Wertveränderungen zu berücksichtigen. Werterhöhungen kann der Schädiger (eventuell mit einer neuen Klage) geltend machen, Wertverfall eröffnet dem Beklagten den Weg zur Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO. Ein Ende findet die Sache erst, wenn der Schaden ausgeglichen ist. Der Zeitpunkt der Schadensbegleichung ist deshalb als maßgeblicher Bewertungszeitpunkt materiell gerechtfertigt, weil mit dem Ausgleich die Dispositionsmöglichkeiten des Geschädigten beginnen, die ihm Nachteile wie Vorteile bringen können (MünchKomm-Grunsky vor § 249 Rz. 124 ff., 126, 129).


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