Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 77

3. Unselbständige und selbständige Vorteil

Die unselbständigen Vorteile fließen dem Geschädigten durch die Schadensbehebung zu: der Geschädigte spart Lebenshaltungskosten während des vom Schädiger bezahlten Krankenhaus- oder Kuraufenthalts (KG VersR 1969, 190); für die Dauer der Mietwagennutzung entfallen Pflege- und Erhaltungskosten auf das eigene Fahrzeug (BGH NJW 1963, 1399); in die beschädigte Sache werden neue Teile eingefügt, die die Lebensdauer verlängern und so den Wert steigern (KG NJW 1971, 142); der Geschädigte erhält ein längerfristiges Nutzungspotential, weil die beschädigte Sache nicht repariert, sondern zur Herstellung eine neue Sache geliefert wird. In allen diesen Fällen müssen die Vorteile, die der Geschädigte erlangt, ausgeglichen werden. Der Ausgleich mindert den Anspruch indessen nicht von vornherein. Im Interesse eines effektiven Rechtsgüterschutzes ist die Restitution beim Geschädigten vorrangig. Erst wenn sie gesichert ist, kommt der Ausgleich der unselbständigen, restitutionsbedingten Vorteile zum Zuge. Eventuelle Liquiditätsschwierigkeiten des Geschädigten gehen somit zu Lasten des Schädigers und hindern auf keinen Fall die effektive Restitution (ebenso Esser-Schmidt § 33 V 2. 1.; Lange § 6 V 3).

Die Frage nach dem von vornherein anspruchsmindernden Ausgleich stellt sich nur bei den selbständigen Vorteilen, die sich nicht der Schadensbehebung, sondern allein dem Haftpflichtereignis verdanken. Beruht ein selbständiger Vorteil darauf, daß das Haftpflichtereignis die Realisierung eines Vermögensabflusses verhindert hat, so ist dieser Vorteil anzurechnen, wenn nicht der verhinderte Vermögensabfluß anderwärts kompensiert worden wäre. Hier zeigen sich Parallelen zu den Fällen der hypothetischen Kausalität. Weitaus häufiger tritt indessen der selbständige Vorteil nicht als verhinderter (und im Falle der Realisierung kompensationsloser) Vermögensabfluß, sondern als durch das Haftpflichtereignis realisierter Vermögenszufluß auf. Beruht nun der Vermögenszufluß nicht auf der Leistung eines Dritten, sondern stellt er sich quasi von selbst ein, so ist er anzurechnen unabhängig vom „unlösbaren inneren Zusammenhang", den Thiele (AcP 167 ( 1967), 193, 201) fordert, aber nicht juristisch operationalisieren kann. Entlastend wirken deshalb der durch die Zerstörung eines alten Schreibtisches entdeckte Schatz (Beispiel nach Schulin S. 165), die mit der Zerstörung eines unter Denkmalsschutz stehenden Hauses eintretende Wertsteigerung des Grundstücks (Beispiel nach Thiele a.a.O. S. 207), der Anfall der Erbschaft einschließlich des Stammkapitals, wenn der Begünstigte sonst gar nicht Erbe geworden wäre oder der entgangene Unterhalt schon früher aus dem Stammkapital bestritten wurde, allein die aus dem Stammkapital fließenden Erträgnisse, wenn das Stammkapital später ohnehin geerbt worden wäre (BGH 8, 325) und der entgangene Unterhalt aus anderen Mitteln bestritten wurde. Sämtliche Entscheidungen ergeben sich insoweit aus einer sorgfältigen Schadensermittlung nach der Differenzhypothese. Die wenigen Fälle, in denen eine Vernachlässigung der Differenzhypothese angezeigt ist, liegen im einzig noch offenen Bereich jener durch das Haftpflichtereignis bedingten Vorteile, die auf Fremd- und Eigenleistungen beruhen.


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