Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 33

II. Kommerzialisierung und Frustration

Die bislang angestellten Einzelerwägungen lassen sich in ein Vermögensschadenssystem einordnen, das die Kommerzialisierungsidee mit dem Frustrierungsgedanken verbindet. (Gerade diese Verbindung entzieht den gegenüber isolierten Kommerzialisierungs- und Frustrierungsthesen beachtlichen Bedenken Langes - § 6 III, IV - den Boden.) Danach ist ein Vermögensschaden über den effektiven Geldabfluß und verhinderten Geldzufluß hinaus immer dann anzunehmen, wenn dem Verletzten ein Gut endgültig entzogen oder vorenthalten wird, für das er oder andere Geld im Rahmen des gesellschaftlichen Durchschnittswerts aufgewendet haben oder doch aufwenden könnten, weil es für dieses Gut einen Markt gibt. Der durch Entzug oder Vorenthaltung des Gutes „frustrierte" aktuelle oder potentielle, am gesellschaftlichen Durchschnittswert orientierte Aufwand ist bei Vorliegen eines Haftungstatbestandes als Vermögensschaden zu ersetzen. Die Ausrichtung des Vermögensschadenssystems am so verstandenen Frustrierungsgedanken ermöglicht eine konsistente Entscheidungspraxis, trägt dem Wandel in der Vermögensanschauung Rechnung, bringt die ökonomische Gleichwertigkeit unterschiedlicher Rechtsformen zur Geltung, vermeidet die illegitime Privilegierung des Sacheigentumsaufwands und erlaubt eine nachvollziehbare Grenzziehung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden. Ihr Nachteil: sie entspricht nicht der herrschenden Praxis (BGH 71, 234 enthält auch ohne abschließende Stellungnahme eine deutliche Distanzierung) und wird auch in der Wissenschaft überwiegend abgelehnt. Wenn sie hier dennoch empfohlen wird, so geschieht dies, weil gerade der desolate Zustand der herrschenden Praxis Anlaß zur Umorientierung gibt und die gegen den Frustrierungsgedanken erhobenen Einwände (Küppers VersR 1976, 604) nicht verfangen.


zurück vorherige Randnummer vor nächste Randnummer