Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 32

c) Nutzungsentgang

Auch für die schadensrechtlichen Probleme des Nutzungsentgangs (dazu auch Lange § 6 VII) ist mit der Frage nach der Vermögensqualität von Nutzungen schlechthin nichts gewonnen. Bei einer differenzierten Fragestellung können zunächst die Fälle als unproblematisch ausgeschieden werden, in denen der Entzug der Nutzungsmöglichkeit die Realisierung eines Vermögenszuwachses vereitelt. Wie bei der unterbliebenen Nutzung der Arbeitskraft durch ihren Träger handelt es sich hier um den in § 252 vorgesehenen Ersatz entgangenen Gewinns. Unproblematisch ist auch die Kompensationsfähigkeit des Vermögensaufwands für eine Ersatznutzung. Sie knüpft an die Restitutionsmöglichkeit nach § 249 Satz 2 an. Die Probleme liegen in den Fällen, in denen die Nutzungsmöglichkeit (zeitweise) ausgeschlossen ist, durch den Ausschluß keine Gewinnerzielung vereitelt wird und keine Kosten für eine Ersatznutzung aufgewendet werden. Nur hier stellt sich nämlich die Frage, ob die Nutzungsmöglichkeit als solche ein bilanzierungsfähiger Vermögensschadensposten ist. Selbst für diese Fälle kann die Frage nicht einfach mit dem Hinweis auf einen Markt für Nutzungen beantwortet werden. Entscheidend ist, in welcher Weise dem Betroffenen die Nutzungen vor und nach dem Schadensfall zugänglich sind. Ist nach einem zeitweiligen Nutzungsausschluß noch der gesamte Nutzungsvorrat in seinem Vermögen vorhanden, so kann der Betroffene über ihn wie vor dem Schadensereignis disponieren. Das ist insbesondere bei langlebigen Gütern der Fall, die im Eigentum des Betroffenen stehen. Mangels Vermögensdifferenz besteht kein Anlaß, den zeitweiligen Nutzungsausfall in Geld zu kompensieren. Anders gestaltet sich die Sachlage, wenn dem Betroffenen nicht ein zeitlich unbegrenzter Nutzungsvorrat, sondern nur eine zeitlich beschränkte Nutzungsmöglichkeit zusteht und diese ohne Nachholmöglichkeit vereitelt wird. Der Vermögenswert der zeitlich beschränkten Nutzungsmöglichkeit liegt in dem Preis, den der Betroffene oder Dritte aufwenden müssen, um eine derartige Nutzungsmöglichkeit zu beschaffen. Allein hier wird die Frage relevant, ob es einen Markt für solche Nutzungen gibt. Gibt es ihn, so hat die zeitlich beschränkte Nutzungsmöglichkeit Vermögenswert. Ihr Entgang ist Vermögensschaden, der zum Marktpreis in die Schadensbilanz eingesetzt werden kann. Die zeitliche Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit kann sich einmal aus der Kurzlebigkeit des in Frage stehenden Gutes und zum andern aus der Art ergeben, in der die Nutzungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt wird, etwa durch kurzfristige Miete, Pacht oder Leihe. Daraus erhellt, daß eine Differenzierung zwischen Sacheigentum einerseits und nicht auf Sacheigentum beruhenden Nutzungsmöglichkeiten andererseits ökonomisch wie schadensrechtlich irrelevant ist: Soweit für die Verschaffung der Nutzungsmöglichkeit Geld aufgewendet wird, bedeutet ihre endgültige Entziehung einen Vermögensschaden, gleich welcher Rechtsform man sich zur Verschaffung der Nutzungsmöglichkeit bedient. Auch die vereitelte Nutzungsmöglichkeit eines zinslosen Darlehens ist ein Vermögensschaden (im Ergebnis zutreffend, wenn auch mit zweifelhafter Begründung BGH 74, 231 = NJW 1979, 1494).


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