Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 30

a) Arbeitskraft

Die Frage nach der Vermögensqualität der Arbeitskraft schlechthin trägt nichts zur Lösung schadensrechtlicher Probleme (a. A. MünchKomm-Grunsky vor § 249 Rz. 24). Für den, der weder seine Arbeitskraft gegen Entgelt einsetzen noch für sich Güter produzieren kann, ist die Arbeitsfähigkeit (vermögens-)wertlos (BGH 69, 34). Ihre Beeinträchtigung führt bei ihm auch nicht zu einem Vermögensschaden. Anders stellt sich die Situation aus der Sicht dessen dar, dem Arbeit geleistet werden soll. Für ihn hat die Arbeitskraft (des anderen) den Vermögenswert, der in der Regel auf dem Markt für die Erlangung der Arbeitsleistung aufgebracht werden muß. Ihr Verlust fügt ihm allerdings nur dann einen ersatzfähigen Schaden zu, wenn die Bilanz nicht durch den Wegfall der Entgeltpflicht ausgeglichen wird. Der Träger der Arbeitskraft selbst erleidet einen Vermögensschaden, wenn er ohne das ihn zum Ersatz berechtigende Ereignis seine Arbeitskraft hätte für sich wertschöpfend oder gewinnbringend einsetzen können. Die wegen der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit nicht realisierten Werte machen den nach § 252 zu ersetzenden entgangenen Gewinn aus. Das Arbeitsmarktrisiko trägt somit der Verletzte (so auch im Widerspruch zum eigenen Ansatz MünchKomm- Grunsky vor § 249 Rz. 26). Dagegen ließe sich unter Sozialstaatsgesichtspunkten möglicherweise geltend machen, daß gerade in Zeiten verstärkter Arbeitslosigkeit dem Verletzten durch Gewährung einer Art Grundrente auch dann geholfen werden müsse, wenn er als Gesunder seine Arbeitskraft nicht hätte für sich wertschöpfend oder gewinnbringend einsetzen können. Man mag an den vom BGH der Prostituierten zugebilligten Anspruch in „Höhe eines existenzdeckenden Einkommens, das auch in einfachen Verhältnissen von jedem gesunden Menschen erfahrungsgemäß zu erreichen ist" (BGH 67, 119 ff., 128) denken, übersähe dabei aber, daß das Schadensrecht einerseits an die konkrete Vermögenslage des Verletzten im Istbestand mit seinen aktuellen Gewinnaussichten anknüpft und andererseits das Problem der Arbeitslosigkeit weder insgesamt bewältigen noch einen sinnvollen Teilbetrag zu seiner Bewältigung leisten kann. Dazu sind andere Systeme der sozialen Sicherung berufen. Wenn man deren Leistungen als unzulänglich empfindet, ist das kein Grund, unter den vielen Arbeitslosen diejenigen zu privilegieren, die zufällig Opfer eines Unfalls geworden sind. Die Kosten einer solchen Privilegierung trägt womöglich ein anderer Arbeitsloser, der den einen beim zeitvertreibenden Spiel verletzt hat! Beim zeitweisen Ausfall eines in einer Gesellschaft in unternehmerischer Funktion tätigen Verletzten, ist darauf zu achten, daß nur tätigkeitsbedingte Vergütungen ersetzt werden können (BGH NJW 1978, 40), wobei die Ersatzleistung der Gesellschaft zufließen muß, wenn diese die Vergütung weiter gezahlt hat (vgl. auch unten Rz. 98).


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