Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 12

III. Notwendigkeit und Grundlagen einer Schadensrechtsdogmatik

Die vielfältige und zum Teil widersprüchliche Kasuistik der höchstrichterlichen Rechtsprechung macht das Bedürfnis nach einheitlichen Richtlinien deutlich, ohne die weder Schadensrecht gelernt und konsistent angewandt noch schadensrechtliche Entscheidungen mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden können. Konsistenz ist eine Bedingung, der die Richtlinien genügen müssen, sachliche Angemessenheit die andere. Für sie kommen als Kriterien in Betracht: die Übereinstimmung der Richtlinien mit der gesetzlichen Konzeption des Schadensrechts und die sozialpolitische Erwünschtheit ihrer Folgen. Die Entwicklung solcher Richtlinien ist die Schadensrechtsdogmatik weitgehend schuldig geblieben. Sie wird auch in den umfangreichen Habilitationsarbeiten von Mertens und Keuk nicht geleistet. Mertens kommt wegen seines allumfassenden subjektiv-funktionalen Vermögensbegriffs (S. 121 ff.) und seiner dualistischen Schadenskonzeption, in der die Schätzung der individuell gegenwärtigen Wertminderung und die Messung des effektiven Vermögensabflusses sich als Berechnungsmodi ablösen und ergänzen (S. 195 ff.), schon in Schwierigkeiten, dem Konsistenzprinzip zu genügen. Und Keuk verfolgt mit Scharfsinn die Implikationen eines Interessebegriffs, der allein an der Unrechtshaftung ausgerichtet ist („Das Interesse bezieht sich... auf den Zustand..., den der Schuldner durch sein ordnungsgemäßes Verhalten hätte herbeiführen sollen" - S. 52, 53) und aus diesem Grunde die Konzeption des auch die Haftung für ordnungsgemäßes Verhalten (Eingriffshaftung, Gefährdungshaftung) ausfüllenden Schadensrechts verfehlt. Mit dem jüngst veröffentlichten Werk von Hermann Lange verfügen wir allerdings über eine eindrucksvolle Dokumentation der Entwicklung des Schadensrechts und des heutigen Meinungsstandes. Die folgende Entwicklung der eigenen Position ist durch zahlreiche Gespräche mit Eike Schmidt gefördert worden. In der Betonung der Ausgleichsfunktion trifft sie sich mit der Konzeption Langes (für ein Zusammensehen prozessualer und materiellrechtlicher Fragen der Schadenshaftung vgl. Gottwald Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979).


zurück vorherige Randnummer vor nächste Randnummer