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Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Forderung

Fällig wird eine Leistung in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger berechtigt ist, sie zu fordern. Haben die Parteien nichts anderes bestimmt, so wird die Forderung mit ihrem Entstehen "sofort" fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Die Parteien können jedoch die Fälligkeit der Forderung durch Vereinbarung (Stundung) hinausschieben. Solange die Forderung gestundet ist, kann der Schuldner durch Nichtleistung nicht in Verzug geraten.

Neben der Fälligkeit setzt der Schuldnerverzug noch die Durchsetzbarkeit der nicht erfüllten Forderung voraus. Nicht durchsetzbar sind zum einen die unvollkommenen Verbindlichkeiten (Naturalobligationen) wie z.B. Spiel- oder Wettschulden im Sinne des § 762 Abs. 1 BGB. Ebenfalls nicht durchsetzbar sind Forderungen, denen eine Einrede entgegensteht. Dabei ist allerdings problematisch und umstritten, ob bereits das Bestehen oder erst die Geltendmachung der Einrede den Verzug ausschließt. Hier ist im Detail nahezu alles umstritten, so dass es nur Sinn macht, sich die Grundlinien der Diskussion zu merken (vgl. zum Meinungsstand: Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 I 2).

Trotz zahlreicher Abweichungen in Einzelfragen ist man sich heute in Rechtsprechung und Lehre weitgehend einig, dass alleine das Bestehen der Einrede des § 320 BGB den Eintritt des Verzuges hindert, während die Einrede des Zurückbehaltungsrechtes gemäß § 273 den Verzug erst ausschließt, wenn sich der Schuldner darauf beruft (Emmerich aaO.; zu § 320 BGB: BGH NJW 1992, 556, 557; NJW 1993, 2674 f.; zu § 273 BGB: BGH NJW 1995, 1152, 1154). Diese grundlegende Differenzierung wird damit begründet, dass anders als bei der Einrede des § 320 BGB der Gläubiger bei der Einrede des § 273 BGB nicht unbedingt damit rechnen muss, dass der Schuldner von ihr Gebrauch machen wird. Die wechselseitige Abhängigkeit der Ansprüche, auf der das Einrederecht beruht, besteht nämlich nicht wie bei § 320 BGB auf Grund des Synallagmas von vorneherein, sondern wird erst durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts vom Schuldner selbst herbeigeführt. Im Übrigen unterscheiden sich § 320 BGB und § 273 BGB dadurch, dass der Gläubiger das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB gemäß § 273 Abs. 3 BGB durch Sicherheitsleistung abwenden kann (vgl. § 320 Abs. 1 Satz 3 BGB). Das ist ihm aber nur möglich, wenn der Schuldner ihm vorher mitteilt, dass er von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen gedenkt (MüKo/Ernst, § 286 Rdnr. 28).

Allerdings kann auch bei Bestehen des Einrederechts des § 320 BGB der Gläubiger eines leistungsunwilligen Schuldners den Schuldnerverzug herbeiführen. Das RG und Teile der Literatur nahmen an, dies sei schon dann der Fall, wenn der Gläubiger zur Gegenleistung "bereit und imstande" sei. Diese Ansicht hat der BGH in einem grundlegenden Urteil ausdrücklich aufgegeben, da sie der Funktion des § 320 BGB nicht gerecht werde. Nach dieser Vorschrift könne der Schuldner seine Leistung bis zur "Bewirkung" der Gegenleistung verweigern. Damit komme zum Ausdruck, dass § 320 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung sichern und Druck auf den Gläubiger ausüben solle, damit dieser leiste. Diese Funktion könne aber § 320 BGB nur erfüllen, wenn Schuldnerverzug erst bei Nichtleistung des Schuldners trotz eines Annahmeverzug begründenden Angebotes der Gegenleistung durch den Gläubiger eintrete. Dafür müsse der Gläubiger aber dem Schuldner die Gegenleistung so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten haben, so dass er nur noch zuzugreifen brauche (BGH NJW 1992, 556, 557 f.).

Bei allen anderen Einreden (wie z.B. der Einrede der Verjährung (§ 214 BGB) oder der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 821 BGB)) hat sich noch kein so klares Meinungsbild wie zu §§ 273, 320 BGB herauskristallisiert. Bei diesen Einreden lässt sich somit die Position, dass schon das Bestehen der Einrede den Verzug ausschließt, in der Klausur ebenso gut vertreten wie die Position, dass erst die Geltendmachung der Einrede Verzug ausschließende Wirkung hat. Überwiegend wird wohl die erstere Ansicht vertreten. Diese stützt sich auf das Argument, dass derjenige, der das Recht hat, durch Verweigerung eine Hemmung des gegen ihn gerichteten Anspruchs herbeizuführen, auch das Recht haben müsse, die Leistung zunächst einmal zu unterlassen (so etwa Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1, § 23 I c (S. 350)). Dieses Argument ist jedoch nicht zwingend und lässt sich ebenso gut umkehren (vgl. Jahr, JuS 1964, 293, 302). Unabhängig davon, welcher Auffassung man sich in diesem Streit auch anschließen mag, sollte man aber bedenken, dass Einreden im materiellrechtlichen Sinne im Zivilprozess nur berücksichtigt werden dürfen, wenn sich der Schuldner vor Gericht auf sie beruft, indem er gegenüber dem Gericht erklärt, dass er auf Grund der Einrede die Leistung verweigere oder schon früher dem Gläubiger gegenüber verweigert habe. Hat der Schuldner sich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nicht auf die Einrede berufen, so darf sie vom Gericht nicht berücksichtigt werden. Selbst, wenn man also davon ausgeht, dass bereits das Bestehen der Einrede den Verzug ausschließt, darf man in diesem Fall die Einrede nicht berücksichtigen. Der Schuldner muss sich dann so behandeln lassen, als wäre er in Verzug gekommen (Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1, § 23 I c (S. 350); Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 12).

Für die sich aus der Ausübung von Gestaltungsrechten wie z.B. Anfechtung oder Rücktritt ergebenden Einwendungen ist anerkannt, dass sie erst nach ihrer Ausübung den Verzug ausschließen. Dabei ergibt sich für die Aufrechnung und die Anfechtung aus den gesetzlichen Rückwirkungsfiktionen der §§ 389, 142 Abs. 1 BGB, dass sie bei wirksamer Ausübung nachträglich den bereits eingetretenen Verzug entfallen lassen (für die Aufrechnung durch den Schuldner: BGH NJW 1981, 1729, 1731; MüKo/Ernst, § 286 Rdnr. 29; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 7; für die Anfechtung: Emmerich aaO.). Beim Rücktritt, ist dies umstritten. Dabei geht die wohl herrschende Meinung wegen der Gleichartigkeit der Sachverhalte davon aus, dass auch der Rücktritt rückwirkend den Verzug entfallen lässt (vgl. Emmerich aaO.; MüKo/Ernst, § 286 Rdnr. 29).

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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